Wisentherde läuft durch hohes Gras in der Wisent-Wildnis

OLG Hamm trifft noch keine Entscheidung

Hamm / Bad Berleburg, 27. Mai 2021. Das Gericht hat insbesondere den öffentlich-rechtlichen Vertrag (ÖRV), auf dem die jetzige Freisetzungsphase des Wiederansiedlungsprojektes basiert, in den Blick genommen. 2013 waren im Rothaargebirge acht Wisente in die Freiheit entlassen worden. Weil sie zu Nahrungszwecken auch Bäume schälen, klagen zwei Waldeigentümer gegen den Wisent-Verein, den Träger des in Westeuropa einzigartigen Artenschutzprojektes.

Der Rechtsstreit geht seit vielen Jahren durch die Instanzen. 2017 hatte sich das OLG erstmals mit den Klagen zweier Waldbauern beschäftigt, vor zwei Jahren landete das Verfahren dann beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, der es wieder an das OLG zurück verwies.

Das OLG machte jetzt in der mündlichen Verhandlung seine Überlegungen deutlich, wonach der ÖRV ungültig sein könnte, da der Zweck der Freisetzung, nämlich die Sammlung und Auswertung wissenschaftlicher Daten, erreicht sei. Damit habe der Vertrag womöglich seinen Zweck erfüllt. Daher könnte dann eventuell auch die Grundlage für die Duldung der Wisente durch die privaten Waldeigetümer entfallen.

Das Gericht stellte aber auch Überlegungen an, dem Wisent-Verein eine weitere Frist zur endgültigen Entscheidung über das Projekt einzuräumen, da Verzögerungen zur Beendigung der Freisetzungsphase womöglich nicht von ihm zu verantworten seien. Sollte das Gericht zu der Einschätzung kommen, dass der Verein Maßnahmen treffen müsse, um die Tiere von den Grundstücken der Kläger fernzuhalten, unterstrich der Richter, bedeute dies nicht zugleich auch das Ende des Projektes.

Der Wisent-Verein bewertet es insbesondere als positiv, dass das Wisent-Projekt wohl weitergehen wird. „Das ist unser vordingliches Ziel“, sagt Johannes Röhl: „Uns geht es vor allem um die Tiere und den Artenschutz. Denn die Bedeutung des Projektes für den Natur- und Artenschutz ist enorm und wird uns von vielen internationalen Experten immer wieder bestätigt.“

Klaus Brenner unterstreicht, dass die politische Entscheidung über das Artenschutzprojekt auf einem guten Weg sei. „Inzwischen liegt das wissenschaftliche Gutachten im Entwurf vor, wir befassen uns seit geraumer Zeit in einer Arbeitsgruppe beim NRW-Umweltministerium intensiv mit der Übergangslösung einer Einzäunung, es liegt zudem auch bereits der Entwurf eines Übergangsvertrages vor, der den aktuellen öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Freisetzung der Wisente ablösen soll, und Umweltministerin Heinen-Esser hat erst vor wenigen Tagen angekündigt, dass noch in diesem Jahr eine Entscheidung über die Zukunft des Wisent-Projektes fallen soll. Damit gibt es eine klare und verbindliche Zeitschiene. Dafür hat sich der Wisent-Verein seit Langem engagiert eingesetzt.“

Die Rechtsanwälte des Wisent-Vereins, Stephan Hertel und Rüdiger Nebelsieck, betonten bei der mündlichen Verhandlung insbesondere, dass die vorläufigen Erwägungen des Gerichts eine Fehlinterpretation des BGH-Urteils darstellten. Der BGH habe den ÖRV eindeutig als wirksam erklärt. Und da er gelte, müsse das Wisent-Projekt auf dieser Basis in die nächste Phase überführt oder abgebrochen werden.

Der Wisent-Verein dränge nachhaltig auf eine endgültige Entscheidung über das Projekt. Er sei aber nicht der alleinige Entscheider. Die Vertragspartner, die Koordinierungsgruppe und die Landespolitik seien weitere wichtige Akteure. Man sei den Klägern mit der Beauftragung eines wissenschaftlichen Gutachtens zur Bewertung des Gesamtprojektes und der geplanten Übergangs-Einzäunung der Wisente auf rund 500 bis 600 Hektar auf dem Gebiet des Staatswaldes und der Wittgenstein-Berleburg´schen Rentkammer weit entgegengekommen. Damit seien komplexe rechtliche und organisatorische Fragen verbunden. Dies könne dem Verein doch jetzt nicht vorgeworfen werden.

Folge man den Ausführungen des OLG und nehme man an, der ÖRV gelte nicht mehr, unterstrichen die Rechtsanwälte des Wisent-Vereins dann sei der Verein all seiner Verpflichtungen enthoben, denn die Wisente fielen damit automatisch unter das Artenschutzrecht mit seiner hohen Schutzwirkung für die gefährdete Tierart.



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